Kreatives Chemnitz hatte für den 09. Januar 2014 zur dritten Vernetzungsveranstaltung der regionalen Kultur- und Kreativwirtschaft eingeladen. In einer Podiumsdiskussion wurde geprüft, wie es um die Designwirtschaft in der Region Chemnitz steht und ob es Möglichkeiten gibt für einen gemeinsamen Weg der Technischen Universität Chemnitz (TU Chemnitz) und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und der regionalen Kreativwirtschaft in der Entwicklung eines Designstudiengangs. Über 100 Interessierte besuchten die Veranstaltung.
Die Hintergründe und Positionen der Teilnehmer der Podiumsdiskussion in der Zusammenfassung:
Doreen Thierfelder hat Modedesign an der Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg studiert und konnte schon während ihres Studiums Erfahrung im Haute-Couture-Bereich in Paris sammeln. Sie gründete vor sieben Jahren das Modelabel THIERFELDER MANUFAKTUR in Chemnitz. Die Manufaktur ist auf das Design und die Anfertigung maßgeschneiderter Blusen und Hemden spezialisiert.
Für den Standort Chemnitz hat sich Thierfelder aus privaten Gründen entschieden. Mit Blick auf Mieten und Löhne sieht sie einen Vorteil in ihrer Wahl. Da sie überall kreativ arbeiten kann, ist Chemnitz für sie allerdings kein Muss. Sie hat nur wenig Kunden in der Region und bewertet den regionalen Absatzmarkt als ausbaufähig. Die Designerin verkauft ihre Produkte hauptsächlich auf dem internationalen Markt, insbesondere in der Schweiz, Österreich und Dänemark.
In der Einführung eines Designstudienganges an der TU Chemnitz sieht sie die Chance, kreatives Potenzial in der Region zu fördern. Mit Blick auf die Tradition der Universität und der Stadt Chemnitz erachtet sie die interdisziplinären Studiengänge Industriedesign und Kommunikationsdesign als besonders erfolgsversprechend.
Mark Frost studierte Holzgestaltung in Schneeberg. Nach dem Studium fand er direkt eine Anstellung als Produktdesigner in Chemnitz. Vor sieben Jahren machte er sich mit seiner Agentur „frostfrei“ in Chemnitz selbstständig. Mittlerweile ist er vom Produktdesign abgerückt. Im Zentrum seiner Arbeit stehen nun die Fotografie und das Design von Drucksachen, Webseiten und Messeständen. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine möglichst ganzheitliche Betreuung von Klein- und mittelständischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen aus.
Frost arbeitet sowohl international als auch für Auftraggeber in der Region Chemnitz. Aufgrund der Vielzahl regionaler Aufträge und der Bandbreite seiner Arbeit ist er zuversichtlich, dass sich der regionale Markt für Designprodukte in den kommenden Jahren gut entwickelt.
Der möglichen Einführung eines Designstudiengangs an der TU Chemnitz steht er positiv und offen gegenüber.
Christian Halm ist Geschäftsführer der Leuchtmanufaktur idee. design. licht. GmbH mit Sitz in Limbach-Oberfrohna. Sein Unternehmen beschäftigt momentan ausschließlich Designer, die nicht aus der Region Chemnitz kommen. Ausschlaggebend für die Zusammenarbeit sind die Qualität der Arbeit der jeweiligen Designer und eine gute Kommunikationsebene. Für ihn braucht das Entstehen von gutem Design ein „Klima des freien Denkens“. Da dieses seiner Meinung nach überall existieren kann, glaubt er an eine positive Entwicklung der Design-Branche in der Region Chemnitz.
Halm wünscht sich, dass die TU Chemnitz durch die Einführung eines Designstudiengangs das „Klima des freien Denkens“ weiter voranbringt.
Prof. Dr. Reinhard Erfurth ist Bauingenieur und Honorarprofessor für Industriebau und Baumanagement an der TU Chemnitz sowie Kuratoriumssprecher des Industrieverein Sachsen 1828 e. V. Erfurth sieht in Design einen sozialen Faktor, der nicht hoch genug geschätzt werden kann. Schließlich nehme Design Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen und trage somit maßgeblich zur sozialen Zukunftsfähigkeit bei.
Erfurth forderte schon vor mehreren Jahren die Einführung des Fachs Industriedesign oder Produktdesign an der TU Chemnitz. Bis heute hält er an dieser Forderung fest, da diese Studiengänge zu den Strukturen und Visionen der Stadt Chemnitz passen. In der Einführung eines Promotionsstudienganges sieht er dabei die Möglichkeit, bei der Ausbildung auf einer hohen Ebene anzusetzen. Erfurth gibt allerdings zu bedenken, dass die Festlegung auf einen Studiengang gut überlegt sein will, da es sich bei der Einrichtung des Designstudiengangs um eine einmalige Chance handelt. Er ist überzeugt, dass die regionalen Wirtschaftsunternehmen den Aufbau des Studiengangs finanziell unterstützen.
Prof. Ines Bruhn gestaltet Objekte im öffentlichen Raum und hat seit über 15 Jahren einen Lehrauftrag für künstlerisch-gestalterische Grundlagen an der Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg inne. Außerdem ist sie ehemaliges Jurymitglied des Sächsischen Staatspreises für Design. Der Fachhochschule in Schneeberg schreibt sie eine Bedeutung für die Entwicklung der Region zu, da viele der Absolventen den Einstieg in der Region finden. Sie betont allerdings auch, dass ein Berufseinstieg in leitende Positionen in der Region Chemnitz für gewöhnlich nicht möglich ist, da vor Ort die entsprechenden Angebote fehlen.
Der Einführung eines Designstudienganges an der TU Chemnitz steht Bruhn aufgeschlossen gegenüber und sieht darin keine Konkurrenz für Schneeberg. Sie stellt eine Kooperation zwischen den Einrichtungen in Aussicht, von der beide Seiten gerade im wissenschaftlichen Bereich profitieren könnten. Der Idee, Industriedesign als Fachbereich an der TU Chemnitz anzubieten, steht sie kritisch gegenüber. Dieses Fach wird ihrer Meinung nach bereits an zu vielen anderen Hochschulen gelehrt.
Die Professorin plädiert für die Einbindung von Künstlern und Intellektuellen in die Entwicklungsprozesse bei der Einführung des Designstudienganges. So schlägt sie etwa die Errichtung eines Labors für soziale und ästhetische Entwicklung vor, dass gesellschaftliche Entwicklungen bewerten und in die Prozesse einbringen könnte. Dies könne letztlich zur Schaffung eines neuartigen Studiengangs beitragen. Sie mahnt an, in der Diskussion um den möglichen Designstudiengang stets darauf zu achten, dass nicht die Deutungshoheit, sondern Inhalte im Zentrum stehen. Sie bezweifelt, dass sich die Lebensqualität in Chemnitz durch die Einführung eines solchen Studienganges erhöht. Dies leitet sie aus der Situation in Schneeberg ab. Hier machten sich die Studenten kaum in der Stadt bemerkbar.
Barbara Ludwig (SPD) ist Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz. Sie sieht die Stadt vor die Herausforderung gestellt, eine kreative Atmosphäre zu erzeugen, obwohl ihr hierfür eine wesentliche Grundlage fehlt: Hochschulen mit künstlerischer Ausrichtung. Studenten solcher Hochschulen tragen ihrer Meinung nach eine Grundeinstellung in Städte, die letztlich eine kreative Atmosphäre bewirken. Ludwig betont allerdings auch, dass es in Chemnitz viele Künstler und Kreativschaffende gibt, die zu einem guten Klima in der Stadt beitragen. In die Entwicklung eines Designstudiengangs an der TU Chemnitz setzt sie die Hoffnung, dass dies das kreative Klima in der Stadt weiter stärkt.
Da Chemnitz für Ludwig eine Industriestadt ist und dies auch auf absehbare Zeit bleiben wird, begrüßt sie die mögliche Einrichtung eines interdisziplinären Studiengangs Produktdesign. Allerdings kann sie sich auch eine Ausrichtung vorstellen, die Design und Sport oder das Gesundheitswesen verknüpft.
Die Oberbürgermeisterin stellt in Aussicht, für den möglichen Ausbildungszweig ein eigenes Gebäude zu errichten. So ließe sich schon durch die Architektur ein Zeichen setzen. Als denkbaren Standort nennt sie das Areal des derzeitigen Busbahnhofs, das sich in unmittelbarer Nähe der künftigen Zentralbibliothek befindet. Finanzielle Unterstützung sichert Ludwig der Universität zu, knüpft dies allerdings auch an den Erfolg der TU Chemnitz Drittmittel zu sichern.
Prof. Dr. Christoph Fasbender ist Prorektor für Lehre, Studium und Weiterbildung der TU Chemnitz. Fasbender weißt darauf hin, dass die Entwicklung eines neuen Studiengangs ein komplexer Prozess ist und dass die TU Chemnitz erst am Anfang dieser Entwicklung steht. Er bestätigt, dass die Einrichtung ein enormes Potenzial im Designbereich sieht. Zugleich betont er, dass die Hochschule aufgrund ihres Profils bereits ein großes Potenzial in diesem Bereich in sich trägt, etwa in den Bereichen Automobilbau oder Medien.
Fasbender steht der Schaffung eines interdisziplinären Studiengangs wie Industrie- oder Produktdesign offen gegenüber. Er gibt allerdings zu bedenken, dass selbst ein interdisziplinärer Studiengang einen starken Kern braucht, um den sich wiederum weitere Komponenten anlagern lassen. In diesem Zusammenhang betont er, dass die TU Chemnitz aktuell keine originäre Professur für einen solchen Studiengang hat.
Den Erfolg der Einführung eines solchen Studiengangs macht er auch davon abhängig, welche Partner die TU Chemnitz bei dem Unterfangen unterstützen. Der Prorektor räumt zudem ein, dass die Universität aktuell noch nicht an der notwendigen Mantelnote für die Einführung eines Designstudiengangs arbeitet. Bis dieser Schritt vorgenommen würde, gelte es, noch viele Gespräche zu führen und die Situation ausreichend zu analysieren.
Deutlich zeigte sich bei der Diskussion, dass es bis zur tatsächlichen Einführung eines Designstudiengangs noch viele Herausforderungen zu meistern gilt. Für viele Besucher bildete die Gesprächsrunde die Grundlage, um sich im Anschluss über ihre persönlichen Vorstellungen bezüglich dieser Neuerung an der TU Chemnitz auszutauschen. Frank Müller, Vorstand des Vereins Kreatives Chemnitz glaubt an den Erfolg des möglichen neuen Studiengangs: „Als Verband sehen wir in der möglichen Einführung eines Designstudiengangs einen großen Wert für die weitere Entwicklung der Kreativwirtschaft und des Standorts Chemnitz. Wir werden das Vorhaben in den nächsten Wochen mit weiteren Protagonisten besprechen und vorantreiben. Interessierte, Befürworter und Unterstützer können sich dazu gerne mit ihren Anregungen und Vorschlägen unter kontakt@kreatives-chemnitz.de an den Verband wenden.“
Kreatives Chemnitz dankt herzlich den Teilnehmern der Podiumsdiskussion, Moderator Lars Neuenfeld sowie allen Gästen. Außerdem geht Dank an Emmas Onkel für die Bewirtung während der Veranstaltung.
Fotos: Daniela Schleich